this post was submitted on 21 Jul 2023
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Das klingt in der Theorie zwar vernünftig, ist von der Praxis aber leider sehr weit entfent.
Mein Erfahrungsbericht: Ich selbst bin Flexitarier aus Öko-Gründen, meine Frau überzeugte Veganerin. Versuch mal über längere Zeit abwechslungsreich vegan einzukaufen und dabei ähnlich kostengünstige Summen wie bei einer fleischbasierten Ernährung zu erreichen. Du wirst ziemlich schnell merken, dass das ziemlich teuer wird. In Veganerkreisen spricht man auch von der "Vegan-Tax", zu Deutsch: Veganer-Steuer. Ernährungsform hin oder her: Ich lebe in einer Welt, in der eine Bio-Gurke teurer ist als eine Packung Wurst. Das kann doch nicht richtig sein.
Wo wir bei Gurken sind: Wusstest du, dass viele Obst und Gemüsesorten mit einer Beschichtung überzogen werden, damit sie länger haltbar bleiben ("Coating") und diese teilweise tierische Stoffe beinhalten kann? Richtig: Selbst Obst und Gemüse isz nicht immer vegan. Apfelsaft? Kannste vergessen, wenn es geklärter ist. Dafür wird oft Gelatine benutzt. Selbst Leitungswasser kann je nach Ort unvegan sein, weil Fische zur Überprüfung des Trinkwassers eingesetzt werden.
Als nächstes versuch öfter mal auszugehen und bei verschiedenen Gastronomien vegan Essen zu gehen. Es ist fast schon ein Wunder, wenn man mal mehr findet als einen lieblosen Beilagensalat oder Pommes. Und noch mehr ein Wunder, wenn es dann nicht teils lustig / teils denunzierende Bezeichnungen sind wie z.B. "The great Pretender" bei Burgern.
Lieferando? Pfft, kannst du erst recht vergessen, weil es dort meistens wirklich nur auf Pommes hinausläuft.
Warum muss in jedem Salat auch Fleisch landen? Warum müssen sämtliche Nudelgerichte Milch oder Eier enthalten?
Es wäre so oft so einfach ein Gericht zu "veganisieren" indem man einfach eine Zutat weglässt.
Oh und selbst wenn es Läden gibt, die tatsächlich Speisen als vegan kennzeichnen, sicher sein kannst du dir dabei auch nicht. Erstaunlicherweise gibt es eine überwältigende Menge an Gastronomien, welche den Unterschied zwischen vegan und vegetarisch nicht kennen. So ist es schon häufiger passiert, dass im Essen meiner Frau doch das eine oder andere tierische Produkt gelandet ist. Der "Vegan"-Begriff ist gesetzlich leider nicht geschützt. Dahingegen darf pflanzliche Milch offiziell nicht Milch heißen, weil die Milchlobby da entsprechend Druck gemacht hat. Auch bei Fleischalternativen ist die Begriffsbildung schwierig, weil z.B. "vegane Wurst" den Verbraucher angeblich verwirrt. Na darauf erstmal ne leckere Teewurst und ich stoße mit einem Glas Scheuermilch an.
Je nachdem wie nah du an "hippen" Großstädten wohnst kann zumindest das Beliefern und Essen gehen mal mehr mal weniger schwierig sein.
Vegan zu leben heißt aber nicht nur auf die Ernährung zu achten, sondern generell Tierleid und -ausbeutung zu vermeiden. Schuhe werden zumeist aus Leder hergestellt. Klebstoffe: junge junge. Da darfst du eigentlich fast gar nichts mehr anrühren. Überall, wo es Klebstoffe gibt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass dieser tierische Stoffe enthält. Ob es nun das Etikett auf deiner PET-Flasche ist, oder die neuen Kopfhörer, die du dir gekauft hast, oder die "fast-veganen" Schuhe, die dann aber doch mit tierischem Kleber zusammenflanscht wurden. Bei Kleidung kann entweder beim Anbau (tierischer Dünger) oder bei der Herstellung (Farbstoffe mit tierischen Zusätzen) der Veganer Kopfschmerzen bekommen.
Du siehst also hoffentlich, dass es gegenwärtig eher die Carnisten bzw. Nicht-Veganer sind, die allen anderen direkt oder indirekt vorschreiben, wie sie zu leben haben. Und wenn es keine kruden Gesetzgebungen sind, dann ist es der extreme Mangel an Alternativen. So schön fair und frei, dass es jeder machen kann, wie er will, ist es eben doch nicht.
Glücklicherweise gibt es dahingehend in letzter Zeit Bewegung. Aber "gut" ist es eben bei Weitem immer noch nicht.
Es gibt jeden Januar die "Veganuary"-Aktion. Mach nächstes Mal doch einfach mit und versuche dich für einen ganzen Monat in die Schuhe eines Veganers hineinzuversetzen. Schaden wird es dir sicher nicht und dir stattdessen vielleicht den ein oder anderen Einblick gewähren.
Weil die Mehrheit der Kunden immer noch nicht Veganer sind. Aber die Änderungen sind, mit der wachsenden Zahl der Kunden, leicht zu beobachten. Das Angebot wird immer mehr.
Du verstehst echt nicht das hier niemand was einem vorschreibt und der Markt sich nach der Mehrheit der Kunden orientiert?
Wozu? Ist ja nicht so das ich es den Veganern nicht glaube. Ich sehe nur keine systematische Diskriminierung sondern normale Marktregulierung über Nachfrage am Werk. Bin auch recht sicher das Veganismus sich durchsetzten wird und in paar Generationen die Fleischkonsumenten die Aussenseiter sind und dann sich das Blatt wendet. Aber das Fleischkonsum für mich Teil meiner Lebensfreude ist, habe ich aus rein egoistischen Gründen keinerlei bedarf den Vorgang zu beschleunigen.
Wenn der Markt reguliert, ist es eben nicht frei und fair für jeden. Und mir ging es genau um die Behauptung, dass "niemand jemandem etwas vorschreibt". Ich habe erwähnt, dass es durchaus gesetzliche Regelungen gibt, die es Herstellern veganer Alternativen erschweren ihre Produkte zu vertreiben (siehe das Beispiel mit der Milch, oder was staatlich läuft: Trinkwasser).
Weiterhin: Wenn es dir sehr schwer bis unmöglich gemacht wird - aufgrund mangelnder Alternativen - ist der Markt ganz und gar nicht "fair". Wenn du die nicht-vegane Gurke kaufst, weil es keine Alternativen gibt, erhöht das den Bedarf an nicht-veganen Gurken und sendet falsche Signale. Es werden dann nicht zangsweise mehr vegane Gurken produziert. Gut, natürlich kannst du jetzt sagen "dann kauf gar keine Gurke". Aber wenn du das auf den Alltagsveganer anwendest, wird das schnell absurd, da dies enorm viele Produkte betreffen würde und man früher oder später irgendetwas kaufen muss, um von seinen Möglichkeiten her gesund zu sein & überleben zu können.
Außerdem, und das ist ein extrem wichtiger Punkt: Die Fleischindustrie (und auch konventionelle Landwirtschaft) werden immens staatlich subventioniert. Es gibt also bereits einen Eingriff in den Markt. Nur halt für die Dinge, die nachweislich für Klima, Umwelt und teils auch direkt den Menschen doof sind. Hier liegt keine "normale Marktregulierung" mehr vor, wenn die Fleischwurst einfach ca. 30 bis 70% (gefühlt aus Erfahrungswerten überschlagen) günstiger ist als vegane Alternativen. Ähnliches kannst du auf Bio vs. Nicht-Bio übertragen. Klar kaufen mehr Leute nicht-bio, wenn das einfach deutlich günstiger als bio ist. Bio erhält aber nicht so heftig viele Subventionen wie die konventionelle Landwirtschaft. Das heißt nicht, dass die Leute sich weniger Bio und mehr konventionelle wünschen. Das ist eben das, was sich gegenwärtig nur viele leisten können / wollen.
Nach wie vor stimmt es natürlich, dass es trotzdem viel mehr Nicht-Veganer als Veganer gibt. Womit ich hierzu komme:
Ist das nicht widersprüchlich? Du bestätigst damit im Grunde, dass die Mehrheit der Kunden der Minderheit der Kunden Dinge vorschreibt. Das ist ja genau der Punkt, den hier andere und auch ich machen: Es richtet sich nun mal nach der Mehrheit, dadurch wird die Freiheit in so einer Sache, die eigentlich gar nicht so schwer und schlimm sein sollte, nämlich der Ernährungsentscheidung, für Minderheiten eingeschränkt und voller Hürden versehen.
Halte ich persönlich für unwahrscheinlich, aber das bleibt abzuwarten. Aber "paar Generationen" sind ja keine Lebenszeit. /i
Hast du Lust dich über das Thema zu unterhalten?
Wenn du besseres System als Nachrage auf dem Markt findest, um zu entscheiden welche Produkte angeboten werden - sag bescheid, da wäre mindestens ein Nobelpreis drin.
Aber ich kann deinen Punkt jetzt besser verstehen, danke - sehe aber wie gesagt das aus einer anderen Perspektive - das Veganismus immer noch eine Diät Vorliebe von einer Minderheit ist und daher sich einige Unannehmlichkeiten ergeben. Mit der steigenden Popularität werden diese von selber weggehen. Durch Subventionen kann man das natürlich beschleunigen und Vegane Milch sollte sich Milch nennen dürfen, und jeder der davon in die irre geführt worden ist - darf nicht mehr selbständig einkaufen.
Wüsste nicht wozu, meine Lust auf Fleisch überwiegt meine Empathie zu Tieren - das ist komplett irrational und daher nicht wirklich durch Logik zu erreichen. Es sei den du bist ein meisterhafter Poet oder du willst einfach etwas zeit schinden. Für ein ein Gespräch bin ich meistens da.
Staatliche Lenkungswirkung durch Steuern und Subventionen. So wie es bisher eben auch gemacht wird, bloß dass aktuell viele Dinge, die nachweislich schlecht für Mensch und Umwelt sind, subventioniert werden, während es bei anderen Dingen ausbleibt.
Beispiel guter Subvention: Medikamentenentwicklung, -forschung und Produktion. Nachfrage & Angebot alleine würden es z.B. unmöglich für Durchschnittsverdienende machen sich wirksame Antibiotika zu besorgen, weil die Entwicklung und Produktion extrem unwirtschaftlich ist und daher nur durch staatliche Zuwendungen zu leisten ist.
Beispiel schlechter Subventionen: Fleisch-, Kohle-, Autoindustrie.
Klar. Soweit hatte ich dir ja auch nicht widersprochen. Ich wollte lediglich hervorheben, dass hier durchaus eine systematische Verschiebung hin zu Fleischprodukten vorliegt. Und hier spielt sicherlich eine große Rolle, dass diese einfach unverschämt viel günstiger sind als vegane Alternativen, weil z.B. Umweltauswirkungen nicht finanziell im Preis mit berechnet werden sondern stattdessen noch durch Subventionen heftig vergünstigt werden.
(Es gab 2020 und dieses Jahr vor ein paar Monaten Aktionen zu "wahren Preisen": https://taz.de/Was-Lebensmittel-kosten-muessten/!5710701/ https://www1.wdr.de/nachrichten/wahre-kosten-eigentlich-muessten-lebensmittel-deutlich-teurer-sein-100.html .)
Na dann: Hast du dich mal eingehender gefragt warum das bei dir so sein könnte? Also dass deine Fleischlust größer ist als deine Empathie zu Tieren.
Ich glaube wir verstehen was unterschiedliches unter guter Subvention. Pharma ist für mich ein klare Fall von schlechter subvention wo die Kosten sozialisiert und die Gewinne privatisiert werden.
Klar, wie meiste Menschen habe ich einen Empathie-Gradienten. Lebewesen gegenüber, deren Erfahrung ich mehr nachvollziehen kann und die mir näher sind, bin ich empathischer. Daher habe ich recht wenig Probleme damit Tiere, zu denen ich keine persönliche Beziehung aufgebaut habe zu essen (auch zu töten wenn ich müsste, hab Biologie studiert und Tierexperimente gemacht (würde das nicht mehr machen), war fischen und hab null Probleme damit Fische zu töten und als Kind war ich immer wieder auf dem Dorf wo Tiere auch geschlachtet worden sind (Hühner)). Wobei ich natürlich auch da unnötiges Leiden vermeiden würde (ich töte nicht mal spinnen in meiner Wohnung, wenn die mir zu nervig werden - werden sie umgesiedelt), aber es ist einfach nicht die Priorität in meinem Leben.
Empathie ist am Ende ein Produkt der Morphologie deines Gehirns gepaart mit Erfahrungen die man im Leben gemacht hat. Daher werden die Trennlinien bei jedem Menschen unterschiedlich sein.