In den Tourismus-Hochburgen des Landes hat die AfD bei den jüngsten Wahlen besonders gut abgeschnitten. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat dafür eine Erklärung: Die Tourismusbranche zahle zu schlecht, in diesen Regionen seien die Existenzängste besonders stark. Wie die Branche reagiert.
Hat die AfD nur so große Erfolge feiern können, weil die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern immer noch weniger verdienen? Ja, sagt die Norddeutschland-Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Laura Pooth. „Gute Löhne sind das beste Mittel gegen extremistische Tendenzen.“
Sie kritisiert vor allem die Tourismusbranche: Die Alternative für Deutschland habe vor allem in Vorpommern-Greifswald und Vorpommern-Rügen abgeräumt. Regionen, in denen besonders viele Menschen im Tourismus arbeiten – und aus Gewerkschaftssicht zu wenig verdienen.
Höchste AfD-Werte in Tourismusregionen
Auf den ersten Blick scheint die DGB-Chefin recht zu haben: Auf Rügen, Usedom oder auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst konnte die AfD viele Stimmen sammeln. In Binz (27,4 Prozent) und Sellin auf Rügen (33,1), in Ahlbeck auf Usedom (35,6) und auch in Born auf dem Darß (37,2) lag sie klar vor allen anderen Parteien. „Wo es die wenigste Industrie in MV und die niedrigsten Löhne gibt, schnitt die Partei am stärksten ab“, sagt Pooth. Zum Vergleich: In der Industrie-Hochburg Rostock holte die AfD „nur“ 18,5 Prozent.
„50 Prozent der Menschen sorgen sich um ihren Wohlstand. Bei AfD-Wählern liegt dieser Wert sogar bei 75 Prozent“, sagt Pooth. Wer weniger Einkommen habe, bei dem seien die Ängste größer. Sie sieht die Arbeitgeber in der Pflicht – Restaurantbetreiber, Hoteliers. In Vorpommern-Greifswald lag das „verfügbare Einkommen“ – also das Geld, das für Einkäufe, Investitionen, Rücklagen übrig ist – zuletzt bei 20 770 Euro pro Jahr. Einer der niedrigsten Werte Deutschlands.
Tarifverhandlungen in MV stocken
Derzeit verhandeln die Gewerkschaft NGG und der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) über einen neuen Tarifvertrag in MV. In der Tourismusbranche arbeiten rund 60 000 Menschen. Die Arbeitgeber bieten 13,27 Euro Stundenlohn, die Gewerkschaft fordert 17,34 Euro. NGG-Landeschef Jörg Dahms: „In einem Fünf-Sterne-Hotel in MV verdienen die Beschäftigten bis zu 500 Euro weniger als in einem ‚normalen‘ Hotel in der Uckermark.“
Dehoga: Kaum Spielraum für Gehaltserhöhungen im Tourismus
Dehoga-Landeschef Lars Schwarz lässt die Kritik nicht gelten. „Wer wirklich den Menschen etwas Gutes tun will, muss dafür sorgen, dass vom Brutto mehr Netto übrig bleibt.“ Viel Spielraum für Gehaltserhöhungen im Tourismus gebe es derzeit nicht, mit steigenden Löhnen müsste Urlaub noch teurer werden. Das aber schade dem schwächelnden Tourismus im Land massiv. „Dass die AfD so stark gewählt wurde, hat nichts mit den Gehältern zu tun – sondern mit dem Frust über die Politik.“
Kritik an den Thesen des deutschen Gewerkschaftsbundes kommt auch von Manfred Güllner, dem Chef des renommierten Meinungsforschungsinstituts Forsa. Richtig sei, dass die Angst vor sozialem Abstieg eines der beherrschenden Themen gewesen sei. Doch: „Die AfD ist vor allem von einer enttäuschten und frustrierten Mittelschicht gewählt worden. Im Osten hat die sich nach der Wende Wohlstand aufgebaut, den sie nun in Gefahr sieht.“