Tryptaminev

joined 7 months ago
[–] [email protected] 1 points 2 months ago (1 children)

Could you explain please why another election is not allowed in France? I though Macron dissolved the parliament early for a new election, which brought us to this situation in the first place.

[–] [email protected] 10 points 2 months ago (1 children)

Flak organizations.... I recently came across this term in Manufacturing Consent. 40 years later it is scary how everything in that book is still relevant today.

[–] [email protected] 5 points 2 months ago (1 children)

These two are intertwined though. And the main alternative Meta also has its fair share of allowing criminal content, fake news and propaganda. The question is, who gets to control it.

[–] [email protected] 4 points 2 months ago

Saruman also had his Uruks pillage and murder throughout Rohan long before the battle of Helms Deep

[–] [email protected] 20 points 2 months ago (1 children)

Hindustan times is a genocidal hindufascist propaganda outlet under control of the Indian president Modi. They advocate for Pogroms against muslims in India.

The moment they "report" anything in relation to Muslims it is heavily skewed at best.

[–] [email protected] 12 points 2 months ago

She says something on a Video of a few minutes. It gets cut down to 37 seconds.

This is like taking

Sure. But again you have her saying it on video. Is she lying? Is it AI?

And cutting it down to:

"you have her lying? is it AI?"

and completely distorting the meaning of what you actually said.

[–] [email protected] 2 points 2 months ago

Thank you. I didn't know about the ecological compensation measures to be this proper.

[–] [email protected] 6 points 2 months ago (3 children)

Or it could have been turned into an actual diverse forest over the next decades by deliberate measures like they are taken in many forests/plantations in the area. Almost all "Forests" in Germany are "plantations" because of the wood cut after WW2 to rebuild.

[–] [email protected] 17 points 2 months ago (2 children)

Auf die Idee Steuern doppelt zurückzufordern, die man nur einmal bezahlt hat, muss man erstmal kommen!

#Innovationskultur #Technologieoffen #Gründerland

[–] [email protected] 1 points 2 months ago

The question of adulthood is not determined by age though. Particularly when it comes to relationships (including non romantic ones)

[–] [email protected] 5 points 3 months ago

Obviously not. If people would chill out it would have to be about judging and responding to actual policy decision, instead of watching GoT political drama.

The longer the election cycle, the more politics are a show and bad policy can be justified with "election tactics".

 

FREIBURG taz | Die israelische Besatzung im Westjordanland und in Ost-Jerusalem ist heute illegal und muss so schnell wie möglich beendet werden. Dies erklärte der Internationale Gerichtshof in Den Haag das Gericht der Vereinten Nationen, in einem Gutachten, das die UN-Generalversammlung in Auftrag gegeben hatte.

Der IGH sollte untersuchen, welche rechtlichen Konsequenzen die seit 57 Jahren andauernde israelische Besetzung von palästinensischen Gebieten hat. Diesen Auftrag erteilte die UN-Generalversammlung im Dezember 2022 auf Antrag der palästinensischen Autonomiebehörde.

Das Gutachten, das Gerichtspräsident Nawaf Salam auszugsweise verlas, dürfte von der palästinensischen Seite als großer Erfolg gewertet werden. Zunächst stellte der IGH zahlreiche Rechtsverletzungen durch Israel fest. Dann zog er daraus weitgehende rechtliche Schlüsse, bis hin zum sofortigen Abzug der israelischen Siedler aus dem Westjordanland und Ostjerusalem. *

Israel hatte das Westjordanland, Ost-Jerusalem und den Gazastreifen 1967 im Zuge des Sechstagekriegs besetzt, als man einem Angriff arabischer Staaten zuvorkam. Aus dem Gaza-Streifen hatte sich Israel 2005 zurückgezogen. Zwar gilt er immer noch als israelisch besetzt, so der EuGH, weil Israel zum Beispiel die Grenzen kontrolliert. Faktisch spielte Gaza (und auch der aktuelle Gaza-Krieg) im Gutachten keine Rolle. IGH wertete Vorgehen Israels als unzulässige Annexion

Maßstab für den IGH war vor allem die 4. Genfer Konvention von 1949, die die Rechte und Pflichten eines Besatzungsstaats regelt. Dabei sei davon auszugehen, so der IGH, dass eine Besatzung nur vorübergehend und nicht dauerhaft ist. Israel aber hat schon durch die Legalisierung und Unterstützung der Siedlungen gegen Völkerrecht verstoßen. Zahl und Umfang der Siedlungen hätten auch immer mehr zugenommen. Durch Infrastruktur wie Straßen, habe Israel die Siedlungen möglichst gut ins Staatsgebiet integriert.

Israel habe die Ressourcen der palästinensichen Gebiete auch mehr ausgebeutet als es für militärische Zwecke notwendig war, so der IGH. Dagegen sei zum Beispiel der Zugang zu Wasser für die palästinensische Bevölkerung nicht ausreichend, sagte Richter Salam. Unzulässig sei auch, dass in den israelischen Siedlungen israelisches Recht gilt, obwohl im besetzten Gebiet grundsätzlich das bisherige Recht weitergelten müsse.

Auch die Verdrängung von Palästinensern verstoße gegen die 4. Genfer Konveniton. Dabei gehe es nicht nur um gewaltsame Vertreibungen. Illegal sei es auch, eine situation zu schaffen, in der Menschen keine andere Wahl haben, als ihre Heimatorte zu verlassen. Zudem habe Israel völlig versagt, die Gewalt von Siedlern gegen Palästinenser zu verhindern und zu ahnden.

Der IGH wertete das gesamte Vorgehen Israels als unzulässige Annexion von zumindest Teilen der besetzten Gebiete. Eine Besatzung dürfe nicht zur Integration der besetzten Gebiete in den Besatzerstaat genutzt werden. Israel wolle die Kontrolle über die besetzten Gebiete offensichtlich unumkehrbar machen, so Richter Salam. Damit habe Israel mit Gewalt sein Staatsgebiet ausgeweitet. Dies verstoße gegen das Völkerrecht. Glaubwürdiges Verhalten wird schwieriger

Einige Staaten hatten Israel in der mündlichen Verhandlung auch vorgeworfen, eine Situation der Apartheit errichtet zu haben, weil für israelische Siedler und Palästinenser unterschiedliches Recht gilt und die Beövlkerungsgruppen streng getrennt werden. Der IGH stellte fest, dass Israel damit gegen das Internationale Abkommen gegen Rassendiskriminierung (CERD) verstoßen hat, ließ aber offen, ob damit das Verbot der „Apartheit“ oder der „rassischen Seggregation“ verletzt wurde.

Aus dieser Feststellung umfassender Illegalität zog der IGH nun mehrere weitreichende rechtliche Schlussfolgerungen. Mit 14:1 Richterstimmen entschied der IGH, dass Israel sofort alle neuen Siedlungsaktivitäten beenden und alle Siedler evakuieren muss. Mit 11:4 Richterstimmen wurde Israel aufgefordert, so schnell wie möglich die besetzten Gebiete zu verlassen. Mit 14:1 Richterstimmen wird Israel angehalten, den Palästinensern Schadensersatz für alle Rechtsbrüche zu zahlen. Hier dürfte es um gewaltige Summen gehen. Der IGH hält alle Staaten für verpflichtet, Israel nicht bei der Aufrechterhaltung der Besatzung zu helfen und zu unterstüzten.

Das weitere Vorgehen müssten nun UN-Generalversammlung und UN-Sicherheitsrat klären, sagte Richter Salam zum Abschluss. Das Gutachten des IGH hat keine rechtliche Verbindlichkeit, ist aber als Gutachten zur Feststellung der Rechtslage von hohem Gewicht, insbesondere auch wegen der klaren Mehrheiten. Der deutsche IGH-Richter Georg Nolte stimmte immer mit der Mehrheit.

Israel wird das Gutachten vermutlich ignorieren. In der UN-Generalversammlung wird es dann wieder radikale, aber folgenlose Resolutionen geben. Im UN-Sicherheitsrat wird die USA zwingende Maßnahmen gegen Israel mit ihrem Veto verhindern, insbesondere falls Donald Trump als Präsident gewählt werden sollte. Für Staaten wie Deutschland, die Israell grundsätzlich unterstüzten, aber auch das Völkerrecht stärken wollen, wird es immer schwieriger, sich glaubwürdig zu verhalten.

 
 
 

Leider habe ich bisher dazu keinen Artikel aus "etablierteren" Medien gefunden.

https://www.linksfraktion.berlin/politik/presse/detail/frau-leben-freiheit-dringt-nicht-bis-zu-den-abschiebebehoerden-durch-kurdinnen-akut-von-abschiebung-bedroht/

Ferat Koçak, der Berliner Linken berichtet ebenfalls darüber.

 

Eine interne Prüfung von Aussagen zum Gaza-Krieg war eindeutig: Für einen Förderstopp gibt es keine Sachgrundlage. Dann mussten Formgründe herhalten

Schon bald wird das »Oyoun« wohl das gelbe Backsteinhaus in der Lucy-Lameck-Straße 32 in Berlin verlassen müssen. Der Grund: Dem Neuköllner Kulturzentrum, das als Schutzraum für die queer-migrantische Community gilt, wurden Ende 2023 nach einem Antisemitismus-Skandal kurzfristig Fördermittel und der damit verbundene Mietvertrag entzogen – obwohl die Berliner Kultursenatsverwaltung diese bis Ende 2025 in Aussicht gestellt hatte. Die offizielle Begründung aus dem Senat: Reine Formsache, die Förderung sei regulär ausgelaufen.

Unterlagen aus dem Kultursenat, die »nd« exklusiv vorliegen, belegen: Nachdem sich aus einer internen Prüfung verschiedener Aussagen rund um den Krieg in Israel und Palästina aus dem Umfeld von »Oyoun« keine sachliche Grundlage für einen Förderstopp ergeben hatte, wurde im Senat ein mehrstufiges bürokratisches Verfahren in Gang gesetzt, um den Förderstopp dennoch zu ermöglichen.

Intern geäußerte Bedenken an dem Vorhaben wurden übergangen. Kultursenator Joe Chialo (CDU), der inzwischen schon als nächster Kulturstaatsminister in einer möglichen CDU-geführten Bundesregierung gehandelt wird, spielt in dem Prozess eine entscheidende Rolle. Die Anatomie einer Fördermittelaffäre.

Eine Veranstaltung, die nicht stattfinden soll

Es ist Juli 2023: Erstmals stellt sich Louna Sbou, die Leiterin von »Oyoun – Kultur NeuDenken« bei der neuen Senatsverwaltung vor – Chialo hatte gerade erst vor zwei Monaten die Senatskulturverwaltung übernommen, die das Neuköllner Kulturzentrum seit 2020 fördert. Bei dem Treffen stellt Sbou die geplanten Projekte vor – darunter ein Termin, der dem Trägerverein Monate später zum Verhängnis werden sollte: eine Veranstaltung Anfang November mit der kontroversen Gruppe »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost«.

Einige Wochen später, am 24. August, fordert der Senat »Oyoun« in einem Videocall dazu auf, die Veranstaltung mit der »Jüdischen Stimme« wegen Nähe zur antiisraelischen »Boycott, Divestment and Sanctions«-Bewegung (BDS) abzusagen. Doch »Oyoun« sagt nicht ab – für das Kulturzentrum sei es selbstverständlich, Diskussionsräume zu öffnen, begründete Sbou damals gegenüber »nd« ihre Entscheidung. Die Absageaufforderung empfinde sie als Einschränkung der Kunst- und Meinungsfreiheit.

Ein zweiter Videocall am 5. September eskaliert und wird nach drei Minuten abgebrochen, nachdem die Staatssekretärin Sarah Wedl-Wilson (parteilos, für CDU) sagte: »Die Kunstfreiheit hört dann auf, wenn es für uns politisch zu brisant wird« – so zumindest schildert Sbou den Vorgang gegenüber »nd«. Mitte Oktober 2023, kurz nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober, folgen mehrere Briefe aus dem Senat mit Fragen zur Veranstaltung und einer schriftlichen Aufforderung zur Absage.

Am 4. November findet die Veranstaltung der »Jüdischen Stimme« trotz der Absageforderungen im »Oyoun« statt. Was die Leiter des Kulturzentrums zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen: Im Berliner Kultursenat wurde längst ein Prozess in Gang gesetzt, der dem Zentrum bis zum Ende des Jahres seine Existenzgrundlage entziehen wird.

Die erste Prüfung: Keine Sachgrundlage für einen Förderstopp

Am 25. Oktober, also eine Woche vor der Veranstaltung mit der »Jüdischen Stimme«, wurde in der »Abteilung I – Kultur und Serviceeinheiten des Kultursenats« eine erste Prüfung veranlasst: ob aufgrund von Aussagen seitens »Oyoun« im Zusammenhang mit dem Hamas-Terror in Israel »zuwendungsrechtliche Sanktionen« möglich seien. Konkret geprüft werden sollte offenbar, ob schon gezahlte Gelder für das Jahr 2023 zurückgefordert und die in Aussicht gestellte Förderung bis Ende 2025 in Höhe von etwa einer Million Euro pro Jahr widerrufen werden kann.

Einen Tag später, am 6. November, spricht Chialo vor dem Kulturausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus. Auf eine Frage der AfD-Fraktion, welche Konsequenzen der Senat aus »der mangelnden Abgrenzung zum Antisemitismus am Kulturzentrum ›Oyoun‹« ziehe, antwortet der Senator laut Sitzungsprotokoll: Nach den Regeln des Landeskonzepts dürfe in keinem mit Landesmitteln geförderten Haus Platz für Antisemitismus sein. Es werde aktuell geprüft, mit welchen rechtlichen Maßnahmen das Landeskonzept zur Antisemitismusprävention durchgesetzt werden könne und ob die Förderung des »Oyoun« fortgesetzt oder beendet werde. Zu diesem Zeitpunkt lautet die offizielle Erzählung des Senats also noch: Mutmaßlich antisemitische Aussagen könnten einen potenziellen Förderstopp legitimieren.

Am 7. November liegt das Ergebnis der Prüfung vor. Daraus wird ersichtlich, dass drei verschiedene Aussagen im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg geprüft wurden: Ein Aufruf zu einem antiisraelischen Generalstreik, eine Veranstaltungsankündigung der »Jüdischen Stimme«, in der Israel als »Apartheidstaat« und »Kolonialregime« bezeichnet wird, sowie ein Instagram-Beitrag des »Oyoun«, in dem zu Solidarität im Kampf gegen »Siedlerkolonialismus« aufgerufen wird. Unzweifelhaft kontroverse Aussagen – aber reicht das, um die Förderung für ein ganzes Kulturzentrum zu streichen?

Die zuständige Abteilung prüft die Äußerungen unter verschiedenen Blickwinkeln: a) ob sie gegen das Landeskonzept des Senats zur Weiterentwicklung der Antisemitismus-Prävention verstoßen, b) ob ein Verstoß gegen den Zuwendungszweck der Fördermittel erkennbar ist und c) ob ein Verstoß seitens der »Oyoun«-Geschäftsführung gegen das Strafrecht vorliegt.

Die Prüfungsergebnisse sind eindeutig: »Die vorliegenden Sachverhaltsinformationen bieten nach rechtlicher Einschätzung aktuell keine Grundlage zum Widerruf oder zur Rücknahme der bereits beschiedenen Zuwendung.« Das Landeskonzept zur Antisemitismusprävention sei für »Oyoun« nicht bindend, und selbst wenn, »verstößt der vorliegende Sachverhalt nicht gegen das Konzept«, heißt es weiter. Zudem seien »keine Verstöße gegen Strafrecht oder anderes geltendes Recht ersichtlich, […] die derart erheblich sind, dass die ordnungsgemäße Geschäftsführung als Zuwendungsvoraussetzung entfallen sein könnte.« Auch dass Mittel zweckwidrig verwendet werden, sei nicht ersichtlich, heißt es im Prüfungsergebnis. Für die Veranstaltung am 4. November seien zudem gar keine Fördermittel des Senats eingesetzt worden.

Neben den Aussagen im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg wird aber noch ein vierter Aspekt geprüft, nämlich inwiefern »Oyoun« überhaupt einen rechtlichen Anspruch auf die Förderung für die Jahre 2024 und 2025 hat. Laut dem Prüfbericht könnte sich aus der Inaussichtstellung aus dem Jahr 2021 ein Anspruch auf eine Förderverlängerung bis einschließlich 2025 ergeben.

Einen Weg für einen Fördermittelstopp gibt es dennoch: »Ein Widerruf der Inaussichtstellung wäre die einzige Möglichkeit für den Senat, die Förderung nicht auszuzahlen«, heißt es weiter in der Prüfung. Tatsächlich ist in dem Dokument explizit festgehalten, dass die Förderzusage unter Widerrufsvorbehalt stehe. Ein solcher Widerruf wäre aber nur möglich, wenn das Geld für die Förderung im Haushaltsplan für das Jahr 2024 nicht zur Verfügung stünde.

Dann wird angemerkt: »Aktuell ist der Haushaltsplan 2024 noch nicht verabschiedet worden; wird aber voraussichtlich weiterhin einen Mittelansatz für den Kulturstandort Lucy-Lameck-Str. vorsehen. Insofern wäre zu prüfen, ob das Betreiberkonzept […] sowie das räumliche Nutzungsrecht […] einen Betreiberwechsel ermöglicht oder ggf. eine Konzeptänderung zu einer Neubewertung führen würde.«

Genau diese zweite Prüfung wird einen Tag später, am 8. November, im Senat veranlasst – auf Wunsch der »Hausleitung«, also Chialos oder seines politischen Leitungsstabs. Dabei soll es also nicht mehr darum gehen, was das »Oyoun« gesagt oder getan hat – jetzt wird geprüft, ob es eine formelle Grundlage und damit einen Weg gibt, dem Kulturzentrum ab 2024 keine Gelder mehr zu geben.

Die zweite Prüfung: Warnungen vor Grundrechtsverletzungen

Die Suche nach einer formellen Grundlage für einen Fördermittelentzug startet direkt am Folgetag: Am 9. November sendet eine Senatsmitarbeiterin eine E-Mail an zwei Kollegen mit der Frage, ob die Förderzusage 2019 postalisch oder per Mail versandt wurde. Dies sei für die rechtliche Prüfung relevant. In der Tat: Vor Gericht wird der Kultursenat später argumentieren, »Oyoun« hätte keinen Anspruch auf die Fördermittel 2024 und 2025, unter anderem weil die Inaussichtstellung der Förderung nicht per Post sondern elektronisch übermittelt wurde – eigentlich gängige Praxis in der Senatsverwaltung, wie Mitarbeitende des Kultursenats »nd« bestätigen.

Am 14. November ist dann die zweite Prüfung abgeschlossen. Das Ergebnis: Es ist möglich, die Projektförderung für »Oyoun« für 2024 und 2025 einzustellen, ein Anspruch auf die Förderung sei aus der Inaussichtstellung von 2021 nicht ersichtlich. Dazu werden zwei Hinweise formuliert: »Oyoun« habe allerdings einen Anspruch auf »ermessensfehlerfreie Entscheidung« durch den Kultursenat. Dafür brauche es eine Neuausschreibung des Kulturstandorts Lucy-Lameck-Straße aufgrund geänderter Förderkriterien. Außerdem: Eine solche Entscheidung solle »unter Berücksichtigung sämtlicher Auswirkungen getroffen werden«.

Die Konsequenzen eines möglichen Widerrufs der Fördermittel werden in dieser zweiten Prüfung umfassend behandelt. Zwei Punkte fallen dabei besonders ins Auge: Erstens wird darauf hingewiesen, dass ein Ende der Förderung eine existenzielle Gefahr für das »Oyoun« und seine Mitarbeitenden bedeuten würde: »Der Zahlungsempfänger beschäftigt über 15 Mitarbeitende aus vulnerablen, marginalisierten Communities, deren Arbeitsplätze wegfielen.«

Zweitens warnt die Prüfung vor einer Einschränkung von Grundrechten: »[Oyoun] steht als geförderte kulturschaffende Institution bei seiner künstlerischen Arbeit unter dem Schutz der individuellen Grundrechte, namentlich der Kunst- und Meinungsfreiheit.« Würde die Förderung von »Oyoun« eingestellt werden, heißt es weiter, »wäre [der Kultursenat] aller Voraussicht nach mit der Frage konfrontiert, inwieweit die Entscheidung im Zusammenhang mit den jüngst getroffenen Äußerungen zu den aktuellen Geschehnissen in Nahost […] steht und wie diese mit den grundrechtlichen Schutzgedanken vereinbar ist«.

Dann noch einmal der Hinweis: »Es könnte [der Senatskulturverwaltung] angelastet werden, dass sie die Grenze des öffentlich Sagbaren bzw. Darstellbaren in unzulässiger Weise zulasten der Meinungsfreiheit einenge«, heißt es im Prüfbericht weiter.

Zum Schluss formuliert der Zweitbericht »denkbare Alternativmaßnahmen« für die offenbar geplante Beendigung der Förderung: Solle die Förderung tatsächlich eingestellt werden, könne der Kultursenat etwa in Betracht ziehen, dies nicht kurzfristig für das Jahr 2024, sondern erst für das Folgejahr zu tun. »So kann eine weitere Projektförderung von einem Jahr gewährt werden, sodass dann in rechtssicherer Weise die Fördervoraussetzungen angepasst und mit entsprechender Vorlaufzeit eine neue Betreiberin bzw. ein neuer Betreiber gefunden werden kann«, erläutert der Bericht weiter.

Kultursenator Joe Chialo entscheidet sich trotz der warnenden Hinweise aus seiner Verwaltung, den Weg dafür zu bereiten, die Förderung einzustellen: Am 17. November erteilt der Kultursenator persönlich den Auftrag, ein neues Betreiberkonzept für den Kulturstandort Lucy-Lameck-Straße zu erstellen, das dann als Grundlage dafür dienen soll, die »Oyoun«-Förderung zu streichen.

Nur wenige Tage später, am 21. November, tritt Chialo im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses auf. In einem Sprechzettel, der »nd« ebenfalls vorliegt, hatte ihm seine Pressestelle nahegelegt, sich möglichst vage zum Ende der Förderung zu äußern. Tatsächlich spricht Chialo im Ausschuss davon, dass in seinem Haus aktuell über ein neues Profil für das Gebäude an der Lucy-Lameck-Straße »beraten« werde, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits feststeht, dass das Betreiberkonzept umgeworfen werden soll. Die bisherige Förderung laufe »regulär« Ende 2023 aus. Angesichts der schon vergebenen Inaussichtstellung von Mitteln über das Jahresende hinaus eine zumindest zweifelhafte Aussage.

Parallel wird der Vorgang in Gesetzesform gegossen: Im Hauptausschuss wird ohne Debatte beschlossen, die Auszahlung der für den Kulturstandort Lucy-Lameck-Straße vorgesehenen Mittel im Haushalt unter den Vorbehalt zu stellen, dass ein neuer Betreiber gesucht wird. CDU, SPD und Linke stimmen für den Antrag, Grüne und AfD enthalten sich. Eine Woche später wird der Haushalt im Abgeordnetenhaus beschlossen.

Am 22. Dezember, knapp vor Jahresende also, erhält das »Oyoun« einen Brief vom Kultursenat: Ab dem 1. Januar wird das Kulturzentrum keine Gelder mehr erhalten. Dann folgt eine ausführliche Begründung. Die künftige Förderung werde aufgrund neuer Förderkriterien ausgeschrieben. Zudem sehe der Haushaltsplan für die Jahre 2024/25 nicht die Förderung von »Oyoun« vor. Ein Rechtsanspruch auf die Förderung über 2023 hinaus bestehe nicht: »Mit der Entwicklung eines neuen Konzepts und daraus resultierender zusätzlicher beziehungsweise abweichender Förderkriterien für den Standort liegt für die hiesige Förderentscheidung nun aber ein rechtfertigender sachlicher Grund vor.«

Schwere Konsequenzen, die man in Kauf nimmt

Zum Jahresbeginn 2024 verlieren alle Mitarbeitenden des Kulturzentrums ihren Job. Einige in der Belegschaft werden dadurch in eine besonders gefährdete Lage gebracht, denn ihr Aufenthaltstitel hängt von ihrer Beschäftigung ab – was Joe Chialo bekannt war, denn er äußerte sich dazu im Dezember in einer Sitzung des Kulturausschusses im Abgeordnetenhaus.

»Oyoun«-Geschäftsführerin Louna Sbou hält weiterhin daran fest: Dem Kulturzentrum stehe die Förderung für 2024 und 2025 rechtlich zu. Schon im Dezember klagte das »Oyoun« beim Verwaltungsgericht Berlin gegen die Entscheidung des Kultursenats und beantragte eine vorläufige Verpflichtung der Zuwendungen. Bisher ohne Erfolg: Sowohl das Verwaltungsgericht als auch die höhere Instanz, das Oberverwaltungsgericht (OVG), lehnten den Antrag ab.

Myrsini Laaser, die Anwältin des »Oyoun«, argumentiert, die Entscheidung des OVG sei fehlerhaft, das Gericht habe sich nicht mit der Frage und Argumenten um die Formwirksamkeit auseinandergesetzt. Inzwischen liegt der Fall beim Berliner Verfassungsgerichtshof; wann eine Entscheidung zu erwarten ist, ist bislang nicht absehbar.

Wann das »Oyoun« tatsächlich die Lucy-Lameck-Straße räumen muss, steht noch offen. Einer Räumungsaufforderung zum Trotz sind die Betreiber bis heute in dem Gebäude geblieben. Ob die Räumung rechtmäßig ist, wird ebenfalls gerade vor Gericht verhandelt. Solange das »Oyoun« in dem Haus ist und das Gericht nicht über die Räumungsklage entschieden hat, wird es für den Kultursenat vermutlich schwierig sein, die Förderung neu auszuschreiben. Auf Anfrage des »nd« heißt es seitens des Kultursenats, die Neuausschreibung werde intern abgestimmt und solle noch im Laufe des Sommers verabschiedet werden.

 

https://archive.ph/zhdpC

#Pingpong bis zum Tod

Mit ihrer „feministischen Außenpolitik“ wollte Annalena Baerbock vieles besser machen. Doch Versuche von Ärzten, schwer verletzten Kindern aus Gaza zu helfen, scheitern weiter an Verwaltungsakten.

Wie philanthropisch und gerecht sie doch klingen, die Leitlinien der feministischen Außenpolitik. Auf der Webseite des Auswärtigen Amts schickt Außenministerin Annalena Baerbock ihnen diese Zeilen voran: „Wir verfolgen eine feministische Außenpolitik, weil es bitter nötig ist. Weil Männer und Frauen weltweit noch immer nicht gleichgestellt sind. Weil Frauen, aber auch Kinder oder Ältere in Konflikten besonders verletzlich sind.“ Wer Frauen schützt und fördert, so die Grundidee, fördert auch Frieden und Gerechtigkeit. Nicht weniger als eine Neuausrichtung der bisherigen Diplomatie hatte sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag vorgenommen. Und ja: Grundsätzlich lässt sich sagen, dass alles in den Leitlinien der feministischen Außenpolitik fabelhaft klingt. Die Ungerechtigkeiten dieser Welt werden in ihnen aufgelistet und sollen angegangen werden.

Insofern hätte man in Berlin begeistert sein müssen, als Kerstin van Ark am 10. April „Geschafft!“ rief und durch ihre Wohnung tanzte. Die Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie hatte es innerhalb weniger Wochen hinbekommen, Klinikbetten für schwer verletzte Kinder aus Gaza zu organisieren. Ihr Hilferuf hatte sich schnell verbreitet: 40 Chefärztinnen und Chirurgen in ganz Deutschland erklärten sich bereit, Kinder aus Gaza aufzunehmen und pro bono zu behandeln. Aus den ursprünglich 15 Kindern wurden bald 32, van Ark gelang es, für alle Behandlungsplätze zu finden.

Das jüngste Kind auf der ersten Liste von Kerstin van Ark – datiert auf den 17. März – ist zu diesem Zeitpunkt drei Jahre alt. Das kleine Mädchen heißt Ronza. Sie hat eine Oberschenkelverletzung mit komplizierter Fraktur durch eine Explosion. Am 10. April dann sind alle Kinder auf van Arks Liste grün markiert. Das bedeutet: Für alle ist ein Platz in einem deutschen Krankenhaus gefunden – und schriftliche Versicherungen, die eine kostenfreie Behandlung garantieren, liegen vor. Auch der Transport der Kinder ist finanziert. Die Flugambulanz für die kleinen Patientinnen und Patienten und deren Begleitpersonen will eine Hilfsorganisation übernehmen. Kerstin van Ark geht davon aus, dass ihre Arbeit damit getan ist. Bliebe noch ein wenig Papierkram: Daniela Neuendorf von der Kölner Refugees Foundation und der Chirurg Jan Wynands sollen sich um die Visa kümmern. Der Chirurg kennt die Situation vor Ort, im Februar und März hat er drei Wochen lang in Rafah operiert, im European Gaza Hospital, täglich bis zu zwölf Eingriffe.

Werden die Wunden nicht behandelt, drohen drastische Folgen

Es sind keine Schürfwunden, die die Kinder auf der Liste haben. Es sind Schwerverletzte, die in Gaza nicht ausreichend behandelt, nicht umfassend versorgt werden können. Die Kinder wurden von „Gaza Kinder Relief“ ausgewählt, einer Partnerorganisation. Krankenakten und Bilder der Verletzungen wurden nach Deutschland geschickt und von Fachärzten begutachtet. Wynands weiß genau, welche Behandlungen in Gaza möglich sind – und welche nicht.

Ein Teil der Kinder hat so gravierende Verletzungen, dass es primär um lebensrettende Maßnahmen geht, etwa bei Verletzungen des Zwerchfells oder der Eingeweide. Häufig sind sie durch Explosionen entstanden, die sowohl zu Verbrennungswunden, als auch zu ausgeprägten Schäden an Weichteilgeweben und inneren Organen führen können. Oder zu Verletzungen der Gliedmaßen, bei denen bei richtiger Behandlung Arme und Beine noch gerettet werden könnten. Zwei Fälle lehnen die Ärzte aus Deutschland ab, sie können auch in Gaza behandelt werden. Die restlichen Kinder hätten dort keine Chance, gerettet zu werden.

„In der Regel handelt es sich um dringende, aber nicht um Notfalloperationen“, sagt Wynands. „Doch wenn die Wochen vergehen, kommt es häufig zu einer Infektion, die oft zwangsläufig Amputationen erforderlich macht.“ Ein weiteres Problem in Gaza: Die Menschen sind mangelernährt, was Heilungsprozesse erschwert. Es sind massive Wunden, die bei Nichtbehandlung zu Behinderung und Siechtum, im schlimmsten Fall zum Tode führen, so Wynands.

Die Verhältnisse in dem Krankenhaus, in dem er operierte, hätten das Vorstellbare teils überschritten. Menschen, die hier Zuflucht suchten, bauten auf dem gesamten Gelände Zelte auf, spannten Planen für ein wenig Schatten. „Tausende“, berichtet der Chirurg. „Sie waren überall – auf den Gängen des Krankenhauses, in den Ecken des Treppenhauses. Sie lagerten und campierten, mit einem Stück Pappe oder Plane bedeckt.“ Alles sei dreckig gewesen, laut. „Die Notaufnahme ist ein Sinnbild für die Situation vor Ort: Hier kommt der Krieg frisch rein, auch Menschen, die es gar nicht mehr in den OP schaffen, sie verbluten oft bereits zuvor.“ Menschen, die ihre Angehörigen suchen, schreiende Frauen, weinende Kinder. Oft 20 oder 30 Schwerverletzte auf einmal, dann beginnt die Triage.

Kann man es den Kindern zumuten, ohne Begleitung ins Ausland geschickt zu werden?

Nie jedoch hätten Wynands, van Ark und Neuendorf erwartet, was sie in den nächsten Monaten bei dem Versuch der Zusammenarbeit mit deutschen Behörden erleben würden. Zunächst suchen sie das Gespräch mit der deutschen Botschaft in Kairo, da die Kinder über Ägypten ausgeflogen werden sollen. Mehrfach, so berichten es mit dem Vorgang Vertraute, sei das Thema zwischen Kabinettsmitgliedern diskutiert worden – ohne Ergebnis. Wochen vergehen. Schließlich folgen Online-Gespräche mit dem Auswärtigen Amt zur Beantragung der Visa für die verletzten Kinder. Dabei sei geraten worden, es zunächst ohne Begleitpersonen zu versuchen.

Als sie in Erwägung ziehen, die Kinder tatsächlich ohne Begleitpersonen auszufliegen, es zumindest mit einem oder zweien zu probieren, rät Sally Becker von „Save a Child“ vehement davon ab, ihrer Partnerhilfsorganisation in Großbritannien. Diese Kinder seien akut traumatisiert, es müssten lebensverändernde medizinische Entscheidungen getroffen werden, für die sie die Verantwortung nicht übernehmen könnten. Auch Mechthild Sinnig, stellvertretende Chefärztin der Kinderchirurgie in Hannover, rät ab: „Wir halten es für unabdingbar, dass die schwer verletzten Kinder mit einer Begleitperson ausgeflogen werden, unabhängig vom Alter. Wir haben es in der Vergangenheit immer wieder erlebt, dass über andere Hilfsorganisationen Kinder ohne einen Angehörigen in ein deutsches Krankenhaus verbracht wurden und dort maximal sekundär traumatisiert wurden.“ Durch Heimweh, durch Kulturschocks, durch Einsamkeit.

Kerstin van Ark schreibt nun neue Listen. Auf ihnen sind inzwischen einige Namen von Kindern rot markiert. Das bedeutet im besten Fall, dass sie in ein anderes Land ausgeflogen wurden. Im schlechtesten Fall heißt es, dass sie tot sind.

Die Mitarbeiter des Auswärtigen Amts wollen sich weiter bemühen, heißt es. Kinder sind der Außenministerin ein großes Anliegen – insbesondere die in Gaza. Zumindest erwähnt Annalena Baerbock sie häufig in ihren Reden. „Gaza ist der gefährlichste Ort auf der Welt für Kinder“, zitiert Baerbock im November die Worte der Unicef-Chefin. „Diese Eltern, diese Kinder, die Familien können sich nicht einfach in Luft auflösen“, sagt sie im Februar, Israels Recht auf Selbstverteidigung beinhalte keines zur Vertreibung. Und am 24. März warnt Baerbock: „Und in der Hölle von Gaza sind mehr als eine Million Kinder, Frauen und Männer von Hunger bedroht. Das darf keinen Tag so weitergehen.“ Tut es aber, und so reagiert die Außenministerin erst neulich, beim „Talk im Tipi“, einer Veranstaltung im Rahmen der Feierlichkeiten zu „75 Jahre Grundgesetz“ in Berlin, emotional auf Kritiker, die ihre Rede immer wieder unterbrechen: „Wenn sie offensichtlich nicht reden wollen, das tut mir leid, so kann man auch keine Kinder in Gaza retten.“

Bereits neun Tage zuvor, am 16. Mai, musste das Bein von Kareem amputiert werden. Kareem ist 14 Jahre alt, auch er stand auf der Liste der Chirurgen. Wäre er in Deutschland behandelt worden, hätte sein Bein vermutlich gerettet werden können.

Endlich gibt es ein Gespräch mit dem Innenministerium. Der Durchbruch?

Die Presse möchte Kerstin van Ark zu diesem Zeitpunkt noch nicht kontaktieren, „um den Verhandlungsprozess nicht zu gefährden“. Doch die Helfer sind bereits verärgert: „Wie kann es sein, dass derweil über 100 Kinder nach Italien, mehrere verletzte Kinder in die USA, nach Abu Dhabi, Algerien, Oman und Kuwait verbracht wurden und es nicht gelingt, die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen, wo doch alles organisiert ist?“, fragt Frank Peter, Gründer der an der Aktion beteiligten Organisation Placet, mit der plastische Chirurgen Terror- und Gewaltopfern helfen. „Wir waren immer wieder an einem Punkt, an dem wir weder vor- noch zurückkamen“, sagt van Ark und holt tief Luft. „Mehrmals waren wir kurz davor aufzugeben. Aber menschlich konnten wir das nicht übers Herz bringen. Gerade wenn man weiß, dass hier 40 Betten bereitstehen, die man mit schwer verletzten Kindern aus Gaza füllen kann und möchte.“

Dann gibt es endlich ein gemeinsames Gespräch mit dem Ministerium des Innern. Wenn dieses Gespräch geschafft ist, hofft van Ark, gelingt ein Durchbruch. Am 10. Juni findet das Treffen statt. Das Ergebnis: niederschmetternd.

Die Position des Ministeriums bleibt hart: Man müsse Sicherheitsrisiken bei Begleitpersonen beachten, hinzu käme eine unklare Rückkehrperspektive – man fürchtet also, Terroristen oder Asylbewerber ins Land zu holen. Auf Anfrage der SZ schreiben Innen- und Außenministerium, eine Einreise von Kindern unter zwölf Jahren zur Behandlung sei „grundsätzlich möglich“. Im Weiteren seien die Häuser in Abstimmung, „unter welchen Voraussetzungen die Einreise von Begleitpersonen realisiert werden kann, die für die Heilungsprozesse der schwer verletzten Kinder wichtig“ sind. Die Abstimmung dauert offensichtlich immer noch an.

Die Chirurgen sind fassungslos, auch deshalb wenden sie sich jetzt an die Öffentlichkeit. Kerstin van Ark meint, sie sei eher maßlos enttäuscht als wütend. „Ich dachte, wir leben in einem humanitären Land. Deshalb haben wir auch nicht aufgegeben.“ Sie könne es nicht nachvollziehen, dass man in schwer verletzten Kindern ein Sicherheitsrisiko sehen kann. „Es ist ein bisschen so, als würden die Pingpong mit einem spielen. Manchmal hat man den Eindruck, dass sie einen so lange von Behörde zu Behörde schicken, bis sich das Problem von allein gelöst hat – und alle verstorben sind.“

Van Arks Liste ist heute fast vollständig rot. Die Kinder sind entweder in andere Länder gebracht worden, nicht auffindbar oder eben tot. Weswegen sich die verhinderten Helfer heftige Vorwürfe machen. „Hätten wir geahnt, dass es nichts wird, hätten wir viel eher gesagt: Verteilt die Kinder anders“, sagt van Ark. „Das ist eine Last, die wir nun tragen müssen. Dadurch, dass wir so lange warten mussten, sind jetzt Kinder gestorben, die auf unsere Hilfe warteten.“

Ist das Konzept der feministischen Außenpolitik also vor allem viel Schein und wenig Sein? Worthülsen, die in ihrer praktischen Umsetzung an ihre Grenzen stoßen? Als Annalena Baerbock im November in Bezug auf die Kinder von Gaza sagt, es mache ihr Sorgen, dass oft nicht die Menschen im Vordergrund stünden, sondern die Bekenntnisse – da meinte sie jedenfalls nicht das eigene Haus. Sondern die reflexhafte Parteinahme vieler für entweder die eine oder andere Seite.

Der Begriff „feministische Außenpolitik“ führt oft zu Missverständnissen

Offenbar hat Ende Juni nun das israelische Militär in Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen 68 Kinder mitsamt Begleitpersonen aus Gaza gebracht. Selbst Israel hat die Notwendigkeit erkannt, dass diese Kinder dringend eine medizinische Behandlung benötigen – vielleicht kommen nun doch noch welche von ihnen nach Deutschland. Eines der Kinder steht auch auf der Liste von Kerstin van Ark.

Und so wird sie tun, was auch Baerbock vor wenigen Tagen zumindest ankündigte: weitermachen. Am 26. Juni sagt die Außenministerin auf der Herzliya-Sicherheitskonferenz in Israel: „Die Hände resigniert in den Schoß zu legen, ist keine Option, denn dadurch wird weder der Schmerz der Familien der Geiseln beendet noch das Leiden der unschuldigen Kinder in Gaza.“

Gemessen an den Resultaten ist die bisherige Bilanz bei der Umsetzung der feministischen Leitlinien dürftig. „Aus den vorgenannten Gründen konnten bislang keine entsprechenden Visa verteilt werden“, schreibt das Außenministerium und verweist neben der Frage nach den Begleitpersonen auch darauf, dass die Grenze zwischen Gaza und Ägypten ohnehin geschlossen sei.

Die Diskrepanz zwischen den Zielen der Chefdiplomatin und ihren Ergebnissen wird von Krise zu Krise sichtbarer. Vielleicht weil sowohl das Konzept als auch Baerbock im Ernstfall an ihre Grenzen stoßen. Vielleicht weil eine neue feministische Außenpolitik in einem mehrheitlich von Männern besetzten Ministerium nicht so einfach durchzusetzen ist. Und ziemlich sicher hakt es wie schon in anderen Fällen zuvor bei der Zusammenarbeit zwischen dem Außenamt, bei dem die Nöte dieser Welt anbranden, und dem Innenministerium, das vor allem an Recht und Ordnung interessiert ist.

Der Begriff „feministische Außenpolitik“ führt oft zu Missverständnissen – nicht etwa, weil er so schwer zu verstehen ist. Sondern vor allem, weil er Hoffnungen und Erwartungen schürt. Die Mütter der schwer verletzten Kinder aus Gaza werden sich einreihen in die Gruppe enttäuschter Frauen aus Afghanistan und Iran, die auf Unterstützung oder Evakuierung hofften und außer leeren Worten wenig von der feministischen Außenpolitik Deutschlands gespürt haben. Ihre Leitlinien aber, die klingen nach wie vor wirklich fabelhaft.

 

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat entsetzt auf einen Unterstützerbrief von rund 100 Lehrkräften an Berliner Hochschulen für propalästinensische Demonstranten reagiert. „Dieses Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten macht fassungslos. Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, werden Uni-Besetzer zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost“, sagte die FDP-Politikerin. „Dass es sich bei den Unterstützern um Lehrende handelt, ist eine neue Qualität. Gerade sie müssen auf dem Boden des Grundgesetzes stehen“, sagte die Ministerin weiter.

Ähnlich äußerte sich Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU): „Für die Verfasser dieses Pamphlets habe ich überhaupt kein Verständnis.“ Antisemitismus sei keine Meinungsäußerung, sondern eine Straftat.

Lehrkräfte sprechen von „Polizeigewalt“

Nachdem am Dienstag eine pro-palästinensische Protestaktion auf dem Gelände der Freien Universität Berlin von der geräumt wurde, solidarisieren sich Lehrkräfte der Berliner Universitäten mit den Protestierern. In einem öffentlichen Statement sprechen sich die Unterzeichner gegen den Polizeieinsatz aus, unabhängig davon, ob sie die Forderungen der Protestierenden unterstützten oder nicht.

Es entspreche dem Selbstverständnis der Lehrkräfte, Studenten auf Augenhöhe zu begegnen und sie „in keinem Fall Polizeigewalt auszuliefern“. Das Präsidium der Freien Universität habe den Protest ohne „vorangehendes Gesprächsangebot polizeilich räumen lassen“ und so seine Pflicht verletzt, eine gewaltfreie und auf Dialog basierende Lösung anzustreben.

Präsident Ziegler: Sicherheit sei gefährdet gewesen

Diese Entscheidung begründet ein Sprecher des Universitätspräsidenten Günter M. Ziegler auf eine Anfrage dieser Redaktion hin dahingehend, dass die Protestierenden von vornherein nicht zu Dialog bereit gewesen seien. Außerdem sei es zu antisemitischen und diskriminierenden Äußerungen und Sachbeschädigung gekommen.

Die Brandmeldeanlage sei beschädigt worden und so die Sicherheit der Mitglieder der Universität nicht mehr gewährleistet gewesen. Daher hätte man den Lehrbetrieb am Dienstag eingestellt, so der Sprecher. Auch die Polizei habe man aus Sicherheitsgründen gerufen. ** Lehrkräfte fordern, „von strafrechtlicher Verfolgung abzusehen“**

Der Campus als Raum der kritischen Öffentlichkeit sei zu schützen, schreiben dagegen die Unterzeichner des offenen Briefs. „Wir fordern die Berliner Universitätsleitungen auf, von Polizeieinsätzen gegen ihre eigenen Studierenden ebenso wie von weiterer strafrechtlicher Verfolgung abzusehen“, heißt es in dem Statement.

Auch aus juristischer Perspektive sei das Hausrecht der Freien Universität durch die Versammlungsfreiheit beschränkt, da es sich um einen für öffentliche Aufgaben bestimmten Ort handele.

Hintergrund: Rafah-Offensive und Gaza-Krieg

Hintergrund des Protests war die beginnende Offensive des israelischen Militärs in der Stadt Rafah im Gaza-Krieg. Aufgrund der Offensive und der sich verschlechternden humanitären Lage im Gazastreifen „sollte die Dringlichkeit des Anliegens der Protestierenden auch für jene nachvollziehbar sein, die nicht alle konkrete Forderungen teilen oder die gewählte Aktionsform für nicht geeignet halten“, schreiben die Lehrkräfte in ihrem Statement.

Die Liste der Unterzeichnenden ist lang. Neben 182 Mitglieder Berliner Universitäten und Forschungsinstitute sind Stand Mittwoch unter „Weitere Unterstützer:innen“ noch einmal 222 Lehrende anderer deutscher und europäischer Universitäten aufgeführt.

Auch AStA und Hochschulgruppen verurteilen Polizeieinsatz

Auch der AStA der Freien Universität und Hochschulgruppen, etwa der juristischen Fakultät, verurteilten in eigenen Statements den Polizeieinsatz und die Entscheidung der Universitätsleitung, die Polizei auf den Campus zu rufen.

Die Protestaktion am Dienstag fand im „Theaterhof“ der Rost- und Silberlaube der Freien Universität an der Habelschwerdter Allee statt. Etwa 150 Protestierende waren nach Angaben der Polizei beteiligt und hatten den Hof mit Zelten und Bänken besetzt und Transparente mit Schriftzügen entrollt.

200 Einsatzkräfte der Polizei räumten die Versammlung am Nachmittag auf Bitten der Universitätsleitung. Dabei setzten sie Reizgas gegen die Studierenden ein. Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und des Verdachts auf Volksverhetzung wurden gestellt und Hausverbote erteilt. Insgesamt wurden bei dem Einsatz laut Polizei 79 Personen festgenommen und deren Identitäten festgestellt. Zusätzlich wurden 80 Strafermittlungsverfahren und 79 Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet.

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